Sinn des Wassersparens – Gastbeitrag von Dietmar Roessler, Hydrogeologe

Es wird immer wieder behauptet, Wassersparen ist Unsinn, gar gefährlich. Stimmt das?
Seit Jahren wird bei uns über diese Frage ein heftiger Streit geführt. Wasserspar-Kritiker sagen: 

Es gibt bei uns Wasser im Überfluss.
Das ist nicht ganz richtig.
Das sich jährlich erneuernde Wasserdargebot ist zwar im Durchschnitt wesentlich größer als der Verbrauch im Gegensatz zu anderen Regionen auf der Welt. Aber es gibt Gegenden in Mitteleuropa, in denen mehr Wasser gebraucht wird als sich neu bildet, zum Beispiel in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt. Auch die Stadt Stuttgart bezieht ihr Trinkwasser aus dem Bodensee. Ist es nicht sinnvoller, etwas sparsamer mit der Ressource umzugehen als teure Fernleitungen zu bauen und zu unterhalten? Im heißen Sommer 2003 kam es vielerorts zu Wasserknappheit, auch in den wasserreichen Gegenden. Wie sich der Klimawandel auf das Wasserdargebot auswirken wird, ist ungewiss.

Es werden nur 20 % der großen Wasserreserven genutzt.
Stimmt.
Aber diese 20 % werden dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen. Wasser, das auch Pflanzen und Tiere benötigen. Eine 100%ige Nutzung wäre ökologisch nicht vertretbar. Für viele Experten sind 20 % bereits das Maximum, größere Entnahmen werden von ihnen als „Wasserstress“ bezeichnet.

Zu wenig abfließendes Wasser verstopft die Abwasserleitungen.
Stimmt.
Die Leitungen sind zu groß dimensioniert. Das Wasser plätschert in den großen Rohren langsam dahin und kann daher große Partikel nicht fortspülen. Viele Leitungen wurden in den 70ern des letzten Jahrhunderts geplant und gebaut. Man legte damals den steigenden Wasserverbrauch zugrunde und berechnete daraus den zukünftigen Wasserverbrauch. Eine fatale Fehleinschätzung, natürlich kann der Verbrauch nicht in gleichem Maß immer weiter bis in alle Ewigkeit steigen. Alte Abwasserleitungen bestehen oft aus Beton. Der ist rau, an den Rohrverbindungen oft nicht ganz dicht oder gar gebrochen. Da dringt verschmutztes Wasser in das Erdreich ein, es fließt noch weniger Wasser in den Rohren. Auf rauen Oberflächen fließt Wasser langsamer, Partikel bleiben hängen. Diese Leitungen müssen regelmäßig freigespült werden. Die Lösung sind kleinere glatte Kunststoffleitungen. Nicht das Wassersparen ist schuld an der Verstopfung, sondern die großen alten Leitungen. Damit Wasser gut abfließen kann muss die Leitung ein Gefälle haben. Das ist vielerorts viel zu gering, manchmal überhaupt nicht vorhanden.
Sollen wir sinnlos aufwendig aufbereitetes Wasser verschwenden, nur um große Leitungen voll auszulasten? Nein! Wir werfen ja auch nicht unnötig Sachen auf den Müll, nur um die zu großen Müllverbrennungsanlagen „füttern“?
Eine Anpassung des Leitungsnetzes ist viel sinnvoller. Ob neue Leitungen oder teurer Unterhalt der alten, kosten wird es auf jeden Fall.
 
In den Rohren stehendes Wasser verkeimt und kann so gesundheitsgefährdend werden.
Das kann passieren, aber sparen wir so viel Wasser, dass es über längere Zeiträume in der Leitung steht? Kaum. Wenn über längere Zeit kein Wasser gebraucht wurde, ist es sowieso ratsam, das Wasser erst einmal ein paar Minuten laufen zu lassen, bevor man es nutzt. Das kann zum Beispiel in Hotels der Fall sein, oder bei einem Umzug. Wasser sparen muss man mit Verstand.

Wasser ist das sicherste und bestkontrollierte Lebensmittel.
Wasser gibt es zwar genug, aber nicht in der Qualität, wie wir sie gewohnt sind. Leitungswasser kann man bei uns bedenkenlos direkt aus dem Wasserhahn trinken, es wird ständig chemisch und bakteriologisch überwacht – mehr als jedes andere Lebensmittel. Trinkwasser wird zu über 70 % aus Grundwasser gewonnen. Im sehr dicht besiedelten Europa sickern zahlreiche Schadstoffe in das Grundwasser. Man denke nur an Düngemittel und Pflanzenschutzmittel. Vielerorts muss das Wasser unter großem technischen und Energieaufwand zu Trinkwasser aufbereitet werden. Oder es werden tiefere Brunnen gebohrt. Oftmals ist das Grundwasser nicht mehr schützbar, man baut Fernleitungen. Trinkbares Wasser wird in Zukunft immer knapper. Wir brauchen täglich etwa 5 l Wasser zum Trinken und Kochen, der Rest läuft durch die Duschen, Toiletten, Spül- und Waschmaschinen etc., reinstes Trinkwasser. An sich schon eine Verschwendung.
 
Man spart nicht nur eine wertvolle Ressource, sondern auch ordentlich Energie.
Warmwasser muss aufgeheizt werden. Abwasser muss energieaufwendig in Kläranlagen gereinigt werden. Ein schonender Umgang mit der Ressource Wasser sollte also für alle selbstverständlich sein.

Dietmar Rößer, Journalist und Hydrogeologe